Mit „Wir bauten uns Amerika“ veröffentlicht die Indiepop-Band Provinz ihr lang ersehntes Debüt. Innerhalb von kürzester Zeit, erlangen Provinz an großer Bekanntheit. Ihre Tour 2021 ist teilweise ausverkauft, teilweise hochverlegt. Wir haben mal reingehört.
Provinz geben sich ihren Bandnamen nach ihrem liebsten Ort auf der Welt. Die drei Cousins plus einer ihrer Freunde machen seit Jahren zusammen Musik und lieben ihr kleines Kaff in der Nähe von Ravensburg. Im Mai erschien ihre erste EP, sonst hatten die vier nur Singles veröffentlicht. Nun gehen sie einen wichtigen Schritt voran und bringen ihr Debüt heraus: „Wir bauten uns Amerika“. Die Platte sollte eigentlich schon im April vorliegen, wurde aufgrund der Corona-Situation auf den August verschoben. Umso schöner für die Fans, dass Provinz es doch eher geschafft haben und ihr Album schon letzten Freitag präsentieren konnten. Kaum auf der Bildfläche des Spotifynutzers erschienen, haben sich Provinz einen Platz im deutschen Indie-Pop gemacht.
Getragen von Gesang, Klavier und Bass
Mit „Mach Platz“ wird die Platte eröffnet, als würde nun ein Theaterstück folgen. Sie befehlen, AnnenMayKantereit, Giant Rooks, Jeremias und Faber, ein Stück zu rücken, damit auch sie sich vorstellen können. Alles beginnt mit reinem Gesang ohne instrumentale Begleitung. Allein die Stimme von Sänger Robin Schmid erklingt und hört sich zugegeben etwas an wie Faber, nur klarer, nicht ganz so rau. Weiter geht’s mit einem der zwei schnelleren, tanzbaren Tracks. „Tanz für mich“ schwappt locker von den Lippen, auch wenn ein Hauch von Bekümmerung mitschwingt. Bekümmerung erwartet uns auch auf „Augen sind rot“. Die Instrumente halten sich zurück und stellen den Gesang in den Vordergrund, der dynamisch stark wechselt. Mal wird geschrien, mal nahezu geflüstert. Das Schlagzeug hält sich in allen Songs ruhig, während Bass und Klavier den Rhythmus aufrechterhalten. Das Klavier sorgt nicht nur für einen Melancholie-Effekt, wie es bei den meisten deutschen Indiepop-Bands der Fall ist, Provinz setzen es mal ganz anders ein. Zum Beispiel bei „Diego Maradona“, wo es hüpft und mitfiebert, wodurch es übliche Aufgaben des Schlagzeugs übernimmt.
Die instrumentalen Ausschnitte sind übereinander gelegt wie Collagen, es spielt jedes für sich und dann doch wieder alle zusammen. Auch Chöre werden eingesetzt, meist zur Unterstützung der Vocals. Die Basslines klingen funky, während die Gitarre keine so große Bedeutung erlangt, da sie meist kaum zu hören ist. Nicht Schlagzeug und Gitarre, sondern Klavier und Bass geben hier also buchstäblich den Ton an. Vermutlich lassen sich Provinz deshalb, trotz gewissen Ähnlichkeiten, von anderen Bands unterscheiden.
Melancholie und Wärme
In den Songtexten sind nicht allzu viele verschiedene Themen zu finden. Vermissen, Verlust von Liebe, Enttäuschung und Besäufnisse. Zusammengefasst eher betrübt, aber dennoch hoffnungsvoll. Jedes Lied beschreibt eine ehrliche Gefühlslage, wie beispielsweise „Wenn die Party vorbei ist“. Während es sonst häufig um Partys und Alkohol geht, wird hier aufrichtig und sentimental das anschließende Gefühl beschrieben. Was nach der Feier noch übrig bleibt. Die Songs machen traurig, lassen einen jedoch nicht völlig niedergeschlagen zurück. „Verlier dich“, sorgt zwar für Melancholie, gleichzeitig aber für eine warme Empfindung im Bauch: „Alle Guten werden böse/ Oder sind es schon längst/ Ich bin für dich da, ja, ich bin für dich da“. Tiefbetrübt geht es zuende mit einer verlorenen Liebe in „Ich baute dir Amerika“. Es geht ums Alleinsein trotz dem Kampf um Zweisamkeit.
„Und ich schlafe mit dir gemeinsam, doch alleine sind wir beide/ Ja, ich schlafe mit dir gemeinsam, doch ohne dich bin ich alleine“.
Beitragsbild: © Max Menning/ Landstreicher Booking
Wieder ein seltener Glücksgriff. Die Festivalistin hat nicht nur ein gutes Ohr und einen guten Geschmack, sondern auch ein fühlendes Händchen für das Herausragende, das wirklich künstlerisch Bedeutende.
Doch ich muss vorwegnehmen, dass „Pop“ nicht so mein Ding darstellt, doch ist das wirklich „Pop“, was hier geboten wird? Pop ist meistens eingängig in der Musik und unanspruchsvoll in den Texten. Was hier als Pop vielleicht eingeordnet wird in Ermangelung einer anderen Benennung, stellt mehr dar, es ist Abseits der üblichen Unterhaltungsmusik, erscheint wesentlich tiefgründiger in musikalischer und textlicher Hinsicht, sonst wäre es ja nur eine weitere Gruppe der neuen deutschen Welle seit dem 99-Luftballons-Gejodel.
Zugegeben: Ist nicht meine Musik, weil ich auch einer anderen Generation angehöre. Aber die Texte ziehen mich ganz tief in meine Jungend, in erste Liebe, ersten Schmerz, erste Alk-Erfahrungen und das Leben in Schule und Ausbildung. Ich fühl mich in jedem Text zurück erinnert, weil hier auch die dunklen Seiten, der Stachel der Rose, der Kater danach zu Wort kommt.
Rhythmsch sehr bunt gemischt mit tanzbaren Songs und dann wieder leiseren Tönen, die doch von der Stimme, die manchmal weint und manchmal lacht, manchmal zweifelt und manchmal hofft, konterkariert, aber niemals übertönt wird.
Notizen aus der Provinz, könnte man sagen .. Bauernbuben (zwinker) zeigen in deutscher Sprache, wie gute Musik geht, die sich einprägt ohne flach zu wirken. Die Texte sind eigentlich Lyrik, voller Gefühl und Emotion, wohl direkt aus der Seele aufs Papier gebracht und so klingt auch alles wie eben erst erlebt und erlitten.
Das ist kein Pop, das ist Kunst.
LG Sven 🙂
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