Orientalisch angehaucht – Darum klingen manche Songs so anders

Was haben „Loser“ von Beck, „Paint it Black“ von den Rolling Stones und Alice in Chains‘ „Dirt“ gemeinsam? Sie klingen alle irgendwie… seltsam. Schief und gleichzeitig arabisch oder fernöstlich angehaucht. Warum ist das so?

Um das zu erklären müssen wir erst einen kleinen Ausflug in die Musiktheroie unternehmen. Keine Angst, es wird nicht allzu kompliziert. Und am Ende gibt es sogar eine etwas experimentelle, musikalische Empfehlung meinerseits.

Eigentlich ist alles ganz einfach...

Der Umfang einer Oktave auf einem Klavier

Erstmal wie versprochen ein wenig Musiktheorie, wer sich schon auskennt kann diesen Teil ja überspringen:

Das System, das die Struktur aller westlichen Musik bestimmt, orientiert sich daran, wie ein typisches Klavier gestimmt ist. Eine Skala, oder auch eine Oktave, umfasst 12 Tasten auf dem Klavier. So gut wie jedes westliche Musikstück, von Mozart über Katy Perry bis Rammstein lässt sich auf diese 12 Töne in verschiedenen Tonlagen zurückführen. Der Abstand zwischen zwei Tönen ist dabei immer gleich und wird als Halbtonschritt bezeichnet.

…aber,

Soweit so simpel. Was dieses System leider nicht berücksichtigt ist, dass es auch Noten gibt, die weniger als einen Halbtonschritt auseinander liegen. Tatsächlich kann das menschliche Gehör 20 verschiedene Noten, auch zwischen Halbtonschritten, erkennen.

Sitar spieler Xavi Ganjam // Foto: Producito

Hier rückt der Begriff „mikrotonale Musik“ ins Rampenlicht. Es gibt schon immer Musik, die diese Lücken zwischen unseren gewohnten Noten füllt, nur eben nicht unbedingt in Europa oder Amerika: In Süd-Asien hat eine Skala nicht in 12, sondern 22 Töne. Wo wir von Halbtönen sprechen, wird im nahen Osten mit dreiviertel- und fünfvierteltönen gearbeitet. Weil unsere europäischen Ohren das nicht gewohnt sind, passiert es, dass traditionelle Musik aus anderen Kulturen für uns oft ein bisschen schief klingt. Und auch anders herum: Wir merken, dass etwas an der Musik anders klingt als gewohnt und ziehen recht schnell die Verbindung zu arabischen oder fernöstlichen Einflüssen. Besonders gut zu erkennen ist das bei Balkan Beatbox‘ „La Bush Resistance“.

Mikrotonale Schritte richtung Westen

Dabei sind Mikrotöne schon lange ein Bestandteil von westlicher Musik. Wir haben uns nur mittlerweile daran gewöhnt, kleine Anteile davon zu hören. Blues Musiker sind Anfang des 20. Jahrhunderts die ersten, die mit Gitarren und Saxophonen die Noten ein klein wenig nach ihrem Willen verbiegen. In den 1960er Jahren kommt mit dem Psychedelic Rock der Trend von fernöstlichen Instrumenten, wie der Sitar, einem gitarrenähnlichen, indischen Zupfinstrument, in den Westen, wodurch sich der etwas andere Klang von „Paint it Black“ erklären lässt. Durch den Grunge hat sich auch das Spielen mit verstimmten Gitarren eingebürgert, mit fremden Skalen hat sich bisher trotzdem kaum jemand beschäftigt.

Flying Microtonal Banana

Da kommen King Gizzard & The Lizard Wizard ins Spiel. Die Rockband aus Melbourne/Australien hat sich durch ihre vielseitige Musik und ihren unglaublichen Output einen Namen gemacht. Ihre Genres reichen von softem Indie Rock bis Thrash Metal. Allein im Jahr 2017 haben sie fünf Alben veröffentlicht, darunter auch Flying Microtonal Banana, ein Psychedelic Rock-Album, dass sich komplett an mikrotonalen Skalen orientiert. Benannt ist die Platte nach einer selbstgebauten Gitarre der Band. Gitarrist Stu McKenzie hat dem quietschgelben Instrument genug neue Bünde hinzugefügt um nicht in Halb-, sondern in Vierteltönen spielen zu können. Auch der Rest der Band hat seine Instrumente entsprechend modifiziert. Das Ergebnis ist ein gleichermaßen befremdliches und faszinierendes Album, auf das man sich ein wenig einlassen muss, bevor man es genießen kann.

Zuletzt noch ein paar Songbeispiele:

Beitragsbild: Jamie Wdziekonski

18 Kommentare Gib deinen ab

  1. Hallo zurück,
    du bist wirklich der erste, der den Jon Hiseman mal anerkennt!! Der war außerdem ein so bescheidener zurückhaltender und freundlicher Mensch und musste erst mal seinen Becher Tee nach einem Konzert trinken, bevor er mir dann ein Autogramm gab. Deshalb hieß mein erster Bericht über ihn auch `Drum art – with tea´.
    Die ganze Truppe war eigentlich so gestrickt, wie zB auch der Hühne Chris Farlow, der auch ne eigene Band hatte. Coloseum gehörte in die Sparte `Jazz-Rock´. Die neue Deep Purple CD lohnt sich nicht. Und auch nicht zu vergessen ist für mich Roger Chapman, der mit Family anfing und mit Chappo einen neuen Anfang fand. Die Stimme gibt`s nur einmal und nie wieder!..
    So jetzt aber Schluss mit Musik.
    Hab mich sehr über deinen Beitrag zu Jon gefreut!!!
    Jürgen aus Loy

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  2. Herzkoma sagt:

    Das mussten die Flinkfinger damals wohl noch selbst nach Gehör stimmen. Heute gibt es ja Electronic zum Stimmen und Tunen. Oder täusch ich mich? 🙂

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  3. Herzkoma sagt:

    Ja alles gut. Für mich ist das beste Lied ‚“Whole Lotta Love“ in dem Film „The Song Remains the Same“, wo auch bisschen was ausflockig vorkommt. Kann mich aber täuschen, bin ja immer etwas Abseits der Realität, durch meine Drogen, selbst etwas flusig im Hirn ..

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  4. Herzkoma sagt:

    PS: Mal anhören die neue Deep Purple, aber ist doch eigentlich vergessen, seitdem Ritchie Blackmore nicht mehr dabei ist. Steve Morse ist für den Popo ..

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  5. Moin Felix&co,
    Musik hören oder nur konsumieren macht schon einen Unterschied.
    In dieser Hinsicht finde ich deinen Bericht sehr interessant und denke gleich an das `Sliden´ auf der Gitarre (ursprünglich Bottle Necking) et.pp..
    Ich selbst bin ein älterer Hippie immer mit Musik verbunden, berichte auch viel über Musik und wollte mal `ne Serie über `Rock-Pop-History´ starten. Aber das lässt mein Zeitmanagement noch nicht zu.
    Ich habe gerade Deep Purple in einen aktuellen Bericht eingebaut.
    Bei Interesse:
    https://4alle.wordpress.com/2020/08/09/news-for-bodysoul/
    Ich finde den Steve Morse so toll, aber er klagt inzwischen schon über Gelenkschmerzen und muss es etwas bescheidener angehen.
    Viele Grüße aus Rastede-Loy nach Hannover!
    Jürgen aus Loy (`Pete J Probe´ als Blogger im Netz)

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    1. Felix Ferraris sagt:

      Moin Jürgen!
      Sliden ist, im Bezug auf mikrotonale Elemente in Blues, auf jeden Fall auch ein extrem wichtiger einfluss. Soweit ich weiß kommt daher auch der besondere Klang in Beck’s „Loser“ zustande.
      Was deinen Bericht angeht: Der Einfluss, den Deep Purple bis heute auf Hard Rock/Metal Musik haben ist gar nicht komplett zu erfassen.
      Kein Deep Purple hieße kein Rainbow, hieße kein Dio, hieße, dass harte Musik, wie wir sie kennen heute nicht existieren würde. Und das ist wirklich nur die spitze des Eisbergs.

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      1. `Der Einfluss, den Deep Purple bis heute auf Hard Rock/Metal Musik haben ist gar nicht komplett zu erfassen´, damit hast du alles gesagt.
        Jürgen aus Loy

        Gefällt 2 Personen

    2. Herzkoma sagt:

      Steve Morse ist doch der Jüngste und spielte damals bei den Dixie Drags. Der hat bestimmt keine Gelenkschmerzen ..

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      1. Das hat er aber selbst mal gesagt.

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  6. Herzkoma sagt:

    PS: Der Schlagzeuger ist übrigens der Sohn von John Bonham, der damals an einer Überdosis Wodka verstarb ..

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    1. Hallo nochmal,
      ich möchte dir gern noch eine für mich `Schlagzeuglegende´ vorstellen.
      Ich habe ihn mal persönlich kennen gelernt und bei der Abschiedstour in Deutschland konnte er auch nicht mehr mit 3 Sticks gleichzeitig spielen, wie in dem einen Mitschnitt in Oldenburg:
      https://4alle.wordpress.com/2018/07/05/schlagzeuglegende-jon-hiseman-nachruf/
      Alles hat ein Ende nur die Wurst hat 2…
      Gruß
      Jürgen aus Loy

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      1. Herzkoma sagt:

        Colosseum war saustark, irgendwie Klassik gemischt mit moderner Musik. Da hatt ich mal ne Doppel-Platte: Coloseum Live. Absolut gut.

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      2. Herzkoma sagt:

        Ich hab mir eben Jon Hiseman angehört. Das ist der Hammer und er spielt und jongliert noch mit den Schlagstöcken. Da bin ich dir dankbar für dieses Schlagzeugsolo. Na gut, ich kenn Schlagzeuger, die schneller spielen, aber er hat den Rhythmus und wenn seine Hände still bleiben, spielen seine Füße weiter .. genial. Ich danke dir für diesen Tipp. LG SVen

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    2. Herzkoma sagt:

      Wenn Steve Morse Gekenkschmerzen hat, dann soll aufhören und den Platz wieder freimachen für Ritchie Blackmore. Dann gehts auch wieder aufwärts mit der Band ..

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      1. Und dann spielt Deep Purple in der Kirche…
        Ich hab mir seinen hiesigen Auftritt in der Kirche erspart und hab keine Ahnung, was er da bringt. Aber wer weiß…mit Child in time…
        Morse spielt immer noch ein seiner Gründungsband…

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      2. Herzkoma sagt:

        Einfach mal „Made in Japan“ anhören und dann schweigen ..

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  7. Herzkoma sagt:

    Weiß nicht, ob Kashmir dazu gehört, aber wollte es mal einfach bringen. Ein bisschen Spaß muss sein sprach 😉

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    1. Felix Ferraris sagt:

      Hi! Kashmir ist soweit ich weiß nich per se mikrotonal, geht aber in eine ähnliche Richtung, wegen der Art wie die Gitarre gestimmt ist (DADGAD), die sich auch sehr stark am Tuning einer Sitar orientiert 🙂

      Gefällt 1 Person

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