Nach einem Sommer voller abgesagter Veranstaltungen endlich wieder ein Konzert. Tristan Brusch spielte am 13. September auf dem Knust Lattenplatz in Hamburg. Natürlich coronagerecht draußen, mit Abstand, Kontaktformular und Mundschutz.
Es ist ein warmer September Abend in Hamburg. Die Konzertbesucher*innen sitzen auf Bänken an Tischen und trinken gemütlich Bier. Ein Stand neben der Bühne bietet Bratwurst und Pommes zum Verkauf an. Alle blicken gespannt zur Bühne, die nur ein paar Zentimeter hoch ist und aus ein paar zusammengeschusterten Brettern besteht. Vermutlich ist es für viele das erste Konzert, seit vor einigen Monaten Corona alles zunichte gemacht hat. Da ist die Vorfreude – zumindest bei mir – gleich ganz besonders groß.

Mehr neue als alte Songs
Um kurz nach 18:00 Uhr spaziert Tristan Brusch locker, aber gleichzeitig leicht nervös wirkend, auf die Bühne und setzt sich ans Klavier. Als die Menge ihn bemerkt wird es auf dem gesamten Platz still. Statt anzufangen zu spielen, nutzt Tristan eine kurze Geschichte zum Einstieg. Darin geht es um die Bundeskanzlerin, die in Wahrheit lieber Singer-Songwriterin geworden wäre.
Nach dem literarischen Beginn folgen „Die Moritat vom Schweighöfer“ und „Zuckerwatte“, die er jeweils am Klavier spielt und singt. Eine Band gibt es nicht, nur ein Tonmann sitzt neben der Bühne und dreht sich eine Kippe nach der anderen. Anschließend erzählt Tristan von einer Melodie, die er bereits vor 6 Jahren für ein Album von Maeckes schrieb. Da sie nie verwendet wurde, hat er nun einen eigenen Song daraus gemacht, für den auch Maeckes eine Textpassage verfasste. Als Tristan die Melodie, die auch gleichzeitig der Refrain ist, vorspielen will, gelingt dies zunächst nicht. „Vergesst alles, was ich gerade gesagt habe“, lacht der Sänger. Er versucht es ein paar weitere Male und sagt, bevor er beginnt, grinsend: „Ich hoffe, dass ichs jetzt besser spielen kann als gerade eben“. Das Publikum merkt schnell, dass das Konzert eher improvisiert als eingeübt ist, was dem Ganzen nur noch mehr an Ehrlichkeit verleiht.

Für sein nächstes Stück schreitet er zur E-Gitarre. Eine knallrote Epiphone ES. Dann folgt ein neuer Song, der den Titel „Schönleinstraße“ trägt. Es geht um Obdachlose: „Ich brauch nur noch eine Chance / Mit mir ist doch nichts falsch, das bisschen Geld nicht richten kann“. Vermutlich als Spiegel dessen spielt Tristan danach eine starke Konsumkritik, die er öfter auf Konzerten präsentiert: „Herein herein herein/ Gebt mir alles in die Fressfotze rein“, schreit der Sänger im Refrain. Nach „Neujahrsschnee“ und „Ich lass dich nie los“ singt er ein neues Lied, das von seiner Kindheit handelt und spielt dazu Akustikgitarre.
Setlist nach drei Songs verlassen
„Joa, das Konzert neigt sich so langsam dem Ende“, sagt der Künstler und gesteht, seine Setlist nach drei Songs verlassen zu haben. Vor dem Konzert habe er sich „gedanklich davon dissoziiert“, weil es ihm so unwirklich erschien, dann tatsächlich auf der Bühne zu stehen. Auch für Tristan sind Live-Konzerte schon eine Weile her. Er fragt das Publikum, was es noch hören möchte. „Die fetten Jahre“ wurde häufig reingerufen. Tristan sagt jedoch, der Song lose ohne Band komplett ab. Genauso wie „Karussel“. Schade. Aber es ist immerhin ein Solo-Konzert. Er spielt noch „Bleib doch einfach hier“ und geht dann von der Bühne. Ohne langes Zugabe-Rufen kommt er zurück, denn er hat sich nur ein Bier von der Bar unweit der Bühne geholt. „Ich wäre nicht euer Tristan Brusch, wenn ich nicht mit einem richtigen Downer beenden würde“, grinst er und spielt ein weiteres neues Lied, welches den Titel „Am Rest“ trägt.
Ein weiteres Mal geht Tristan von der Bühne, nachdem er sich verbeugt und verabschiedet hat. Ist das das Ende? Es wirkt als zögere er, vermutlich tut er das auch. Dann dreht sich der Musiker nochmal um und schlendert zurück an seine Gitarre. Das Konzert endet mit dem Lied „20:15“. Etwa zur selben Uhrzeit spazieren die Fans unter Hamburgs untergehenden Sonne zufrieden vom Platz.
Fotos: Anny Bader